Ziel des Forschungsvorhabens war es, eine spezielle Form der exzessiven Mimesis – das Trompe-l’oeil im niederländischen Stillleben – als nicht bewältigten Rest der Ausdifferenzierung der auseinander strebenden Elemente der illuminierten Buchseite zu interpretieren. Das Trompe-l’Œil wurde dabei entziffert als eine Figur, deren mimetischer Exzess eine Thematisierung der zweidimensionalen Materialität des illuminierten Buchs betreibt, die sich in der Bearbeitung der Differenz zwischen imaginärem Bildraum und realem Raum des Lesers/Betrachters ausdrückt. Das Hauptaugenmerk lag auf den Metamorphosen der Bildgründe in spätmittelalterlichen franko-flämischen Stundenbüchern, die sich in ambivalente, halb inner-, halb extradiegetische Bildgegenstände verwandeln. Dieser Tendenz zur Verdopplung von Bildzeichen in Zeichen erster Ordnung und Zeichen zweiter Ordnung, die man als ‚Trompe-lʼoeilisierung‘ bezeichnen könnte, wirkt innerhalb des Mediums eine Tendenz zur Plausibilisierung der ambivalent gewordenen Bildgründe entgegen. Die Strategien, die Bildräume der Bordüre und der Miniatur auf der Buchseite zu homogenisieren und die Konflikte zwischen vertikaler und horizontaler Auffassung der imaginären und realen Flächen aufzulösen, die noch bis in die Frühzeit des Stilllebens virulent bleiben und z.B. die frühe Bindung des Stilllebens an eine hybride Nischenarchitektur verursachen, können aus dieser Perspektive als Vermeidungs- oder Regulierungsstrategien exzessiver Mimesis gelesen werden.
Indem Stilllebenobjekte derart als raum- und grundgebunden verstanden werden, werden sie lesbar als Resultate der Zähmung und Arretierung von Prozessen mimetischer Wucherung.