Übersicht

Mindere Mimesis

 

Prof. Dr. Friedrich Balke
(Ruhr-Universität Bochum)

 

Prof. Dr. Maria Muhle
(Akademie der Bildenden Künste München)

 

Elisa Linseisen, M.A.
(Ruhr-Universität Bochum)

 

Dr. Stefan Apostolou-Hölscher
(Akademie der Bildenden Künste München)

 

Sandra Körmann

 

 

Das Teilprojekt zur minderen Mimesis widmete sich jenen inframächtigen Darstellungstechniken des Mimetischen – ‚infame‘ und ‚infime‘ Phänomene, für die kein kultureller Code existiert oder die sich als Effekte einer parasitär-reproduktiven Aneignung und ‚Entleerung‘ kulturell etablierter Darstellungsformen beschreiben lassen. Die Fragestellung des Teilprojekts entfaltete sich historisch und systematisch zwischen zwei Polen. Zum einen ging es um eine Rekonstruktion zentraler Etappen der Geschichte einer kultur- und medienkritischen Verwerfung oder uneingestandenen Verwendung minderer Mimesis. Zum anderen wurde gezeigt, dass eine zunehmende Revalorisierung minderer Mimesis mit spezifischen Entwicklungen auf dem Feld der Erfindung und Durchsetzung neuer analoger Medientechniken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts korreliert. Das Teilprojekt rekonstruierte eine historische Bewegung, in der auf die massive Verwerfung von Mimesis und Genieästhetik um 1800 ein revalorisierender Zugriff auf Nachahmungspraktiken folgt. Die beschriebene Neubewertung mimetischer Praktiken erfasste das Teilprojekt mit der Unterscheidung zwischen vertikal verlaufender Mimesis des Minderen – das vermeintlich Kleine, das Sichtbarkeit erlangt, indem es sich etablierten Darstellungsweisen anähnelt – und der horizontal sich ausbreitenden minderen Mimesis – eine Mimesis, die sich auf die Ränder und Grenzen des bereits Darstellbaren bezieht, auf Darstellungsmedien, die selbst minder sind.
Als die eigentliche Programmschrift einer minderen Mimesis, die der antiken Lehre von den Höhenlagen der literarischen Darstellung entgegengesetzt ist und das Paradigma einer ernsten Darstellung des Alltäglichen etabliert, konnte Erich Auerbachs Mimesis identifiziert werden. Weiterhin stand Auerbachs Wiederaufnahme eines figuralen Realismus und die Diskussion um Typologie und Präfiguration im Mittelpunkt, die als Mimesis des Minderen durch die Rede von der Aufhebung der Stiltrennungsregel die Beschreibungswürdigkeit dessen, was zuvor unterhalb der Darstellungswürde verharrte, in den Blick rücken konnte.
Über die Strategie des Reenancments konnte eine doppelte Exploration des Minderen festgestellt werden: Einerseits bewegen sich Reenactments als pseudo-wissenschaftliche, historiografische Methode nah an populärkultureller Eventkultur, die Geschichte erfahrbar und somit nachvollziehbar machen soll; andererseits sind sie als minder in ihrer Suche nach der Authentizität der Reproduktion von Wirklichkeit, der sie dermaßen verschrieben sind, dass jedes schöpferische, künstlerische Verfahren ausgeschlossen werden soll.

 

 

Research Project „Minor Mimesis“

 

The project extends the mimetic concept so as to include the mimesis of the small, the lower and minor, based on the observation that is not only religion-related “superior” phenomena that demand for mimetic techniques of presentation, but also “inferior” ones. These ‚infamous’ or ‚infimous’ phenomena have no culturally acknowledged code and hence might be described as effects of a parasitical-reproductive appropriation or “voiding” of culturally established forms of presentation. Both historically and systematically, the investigation of minor mimesis, is situated between two poles: On the one hand, it will trace back the principal historical stages, in which the critique of culture and media have led to the dismissal or, rather, to the unacknowledged use of minor mimesis. On the other hand, it will show that an increasing revaluation of minor mimesis in the second half of the 19th century correlates with specific developments in the fields of invention and implementation of new analogue media technologies and how thereby minor mimesis turns into an intriguing and theoretically compelling key topic of aesthetics and theory of media. Three stages in this history of crisis and fascination may be distinguished: the aesthetical and metaphysical dismissal of the notion ‚imitation’ in the name of an aesthetic of autonomy and genius around 1800;  the subsequent pathologizing of imitation (or ‚aping’) and politicization of minor mimetic-assimilatory practices in the course of the 19th century; and eventually, the revaluation of minor mimesis in the fields of aesthetics and theory of media. Thus, the project aims at outlining a genealogy of minor mimetic forms, as it will show that the ‚minor’ is the missing link between the theory of mimesis and the theory of media, manifest on three different levels: the anti-mimetic refusal, the inframimetic mimesis induced by media technologies, and the hypermimetic ‚Nachstellung‘ (re-enactment) through strategies of cinematic re-enactement.

 

Team

 

 

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Ankündigung Wintersemester 2016/2017

Nachwuchsworkshop: Zwischen Nachahmung und Wirkung. Perspektiven minderer Mimesis

 

 

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